Sagen Sie mal, Jan Bratenstein: Darf ein Buchtitel das Wort „Arschloch“ enthalten?

Wenn ich mir die Resonanz am Verkaufstisch – oder „Merch“, wie das im Muckerjargon lieblos einsilbig dahingerotzt wird – ansehe, dann muss ein Buchtitel sogar das Wort enthalten, und ich bin drauf und dran, meinen ersten Roman umzubenennen. Aus „Der Mann ohne Piano“ vielleicht „Das Arschloch ohne Piano“ zu machen oder noch Schlimmeres. Es scheint gemeinhin schon zu interessieren, wenn da ein böses, verpöntes Wort auf dem Buchcover steht, und nicht selten sehe ich zu meiner großen Genugtuung einen kleinen, inneren Punk aufblitzen, wo man gar keinen vermutet hätte. Aber solche Worte sind ja immer auch nur eine Zeitlang dreckig, und über die kräftigsten Kraftausdrücke aus der Zeit vor 300 Jahren kann man heute nur noch schmunzeln. Insofern ist mein Buchtitel „Alles Arschlöcher überall“ nur ein Beitrag zur sich stetig wandelnden Sprachentwicklung und natürlich, ganz bescheiden gedacht, in Zeiten von AfD-Wählenden, Coronaleugnenden und Kriegstreibenden, auch eine messerscharf durchanalysierte, unbestreitbare, unumstößliche Wahrheit.

Es scheint gemeinhin schon zu interessieren, wenn da ein böses, verpöntes Wort auf dem Buchcover steht.

Jan Bratenstein

Vielleicht denken wir es uns alle hin und wieder: „Alles Arschlöcher überall“. Sicherlich denken es sich aber die armen Saufnasen im Café Exquisit, die in einer unschönen Nacht von unschöner Gesellschaft heimgesucht werden und sich plötzlich in ihrer Lieblingskneipe eingesperrt, eingekesselt wiederfinden. Umstellt von finsteren Gestalten. Konfrontiert mit der großen Arschlochigkeit der Welt, wo sie doch nur ganz entspannt ein Bierchen oder zehn trinken wollten. Vielleicht hilft es ihnen, dass einer in der Runde zu tief ins Absinthglas gesehen hat und sprechende Tiere halluziniert? Dass ein antikes Schusseisen gefunden wird? Dass der Pizzaflitzer bereits unterwegs ist?

Seit Jan Bratenstein 1990 im Alter von null Jahren auf die Welt kam, ist er konstant gealtert. Nichtsdestotrotz hat er sich eine kindliche Sicht auf die Welt behalten: Sein Kopf wurde geformt von Comics, Filmen, Musik und durch die treue Schiebermütze. Mittlerweile lebt er den Traum vom nicht gesicherten Einkommen als Musiker, vor allem mit seinem Solo-Antifolk-Projekt „The Black Elephant Band“ und dem räudigen Songwriterkollektiv „Folk’s Worst Nightmare“. Da das Leben als Musiker finanziell noch nicht unsicher genug ist, verfolgt er, immer wenn Gitarrensaiten reißen, auch eine Karriere als Autor von Comics, Drehbüchern für Webserien und Büchern. Sein neuer Roman „Alles Arschlöcher überall“ ist, ebenso wie sein Debüt „Der Mann ohne Piano“, im Carpathia Verlag in Berlin erschienen.