Sagen Sie mal, Ulf Fildebrandt: Programmieren oder phantastische Welten erfinden – was ist komplizierter?

Beide erwecken Ideen zum Leben. Und damit ist wohl beides gleich schwer. Beim ersten Hören wundert sich jeder, da es doch zwei vollkommen unterschiedliche Dinge sind. Aber das hängt damit zusammen, dass Programmieren als sehr mechanische Tätigkeit verstanden wird, genau wie in der Schule zwei Zahlen addiert werden. Beim Programmieren gibt es aber schon beim Schreiben der ersten Zeilen unzählige Möglichkeiten, den Computer dazu zu überreden, etwas zu tun. Deshalb wird ja auch von Programmiersprachen gesprochen, denn wie bei normalen Sprachen muss derjenige, der an der Tastatur sitzt, sich überlegen, wie er schreibt. Genau wie Autoren an ihrem Stil, der Art, wie sie die Worte verwenden, erkannt werden, so ist auch bei Source Code zu sehen, wer ihn geschrieben hat. Es geht beim Programmieren und bei phantastischen Welten demnach darum, eine Idee zu beschreiben und sie zum Leben zu erwecken. Dieses „zum Leben erwecken“ führt sogar so weit, dass bei einem Buch die Geschichte und die Welt im Kopf des Leser zum Leben erwachen soll.

Bei Software und bei Romanen ist es ähnlich schwer, eine Idee zum Leben zu erwecken.

Ulf Fildebrandt

Deshalb behaupte ich einfach: Bei Software und bei Romanen ist es ähnlich schwer, eine Idee zum Leben zu erwecken. Die Idee der Fantasy-Reihe Weltenkreis besteht darin, dass Magie auf Erinnerungen basiert. Zauberer verwenden die Energie ihrer eigenen Erinnerungen oder rauben sie anderen, um die Zauber zu wirken. In meinem Buch „Finnurs Suche“ fragt der Leser sich: Wer bin ich eigentlich, wenn ich keine Erinnerungen mehr an meine Vergangenheit habe. Die vielen Ereignisse, die jemand durchlebt hat und die einen zu demjenigen gemacht haben, der er heute ist, im guten wie im schlechten, wären alle verloren. Genau darum geht es in den Geschichten im Weltenkreis. Welche Rolle spielen Erinnerungen bei den Entscheidungen, die jeden Tag zu treffen sind? Und welche Wünsche hätten wir gar nicht erst, wenn wir uns nicht mehr an einen Ort oder an eine Person erinnern können?

Ulf Fildebrandt hat zwei Romane der Fantasy-Reihe Weltenkreis im Lysandra Books Verlag veröffentlicht: „Meister der Erinnerung“ und „Finnurs Suche„. Fildebrandt wuchs in Niedersachsen auf, studiert dort auch Informatik, zog aber vor mehr als zwei Jahrzehnten in die Nähe von Heidelberg, um mit Software-Entwicklung sein Geld zu verdienen. In den vergangenen Jahren widmete er sich auch seiner zweiten Leidenschaft, dem Erfinden phantastischer Welten.