„DrahtseilTakt“ im Doppelpack: Vom abenteuerlichen Wettlauf auf dem Weg zum Buch mit Musik.

Rock ’n’ Write: Unter diesem Motto sind Autorin Antonia Vitz und Musiker Daniel Gumo Reiss (Foto) im Doppelpack zu erleben. Gemeinsam stehen sie auf der Bühne, verbinden in ihren musikalischen Lesungen Humor mit Tiefgang. Auch Bücher entstehen zu zweit. So wie „DrahtseilTakt“, erschienen im pinguletta Verlag. Der Clou: Passend zum Leseerlebnis gibt es etwas auf die Ohren. Denn zu jedem Kapitel ist ein Song entstanden, zu finden auf dem Album „Black Bird“. Doch wie wächst solch ein Werk gemeinsam? Und wie viel aus dem Leben des kreativen Duo steckt selbst in „DrahtseilTakt“ mit drin? Dem Schöne-Bücher-Magazin standen Antonia Vitz und Daniel Gumo Reiss Rede und Antwort.

Worum geht’s bei „DrahtseilTakt“?
Antonia Vitz: Gitarrist und Songwriter Jack Blackbird kehrt unfreiwillig in seine bayerische Heimat Katzbrück zurück, wo er zwischen Mutters Hühnerstall und dem Wiedersehen mit der ersten großen Liebe gegen die Widerstände des Musikbusiness ankämpft. Und unter chaotischen Umständen nicht nur ein Album produzieren soll, sondern auch tiefgreifende Entscheidungen treffen muss, bei denen deutlich mehr als die Zukunft der Band auf dem Spiel steht.

„Mal hatte ich einen kleinen Vorsprung, mal Antonia.“

Daniel Gumo Reiss

Buch oder Musik: Was war bei „DrahtseilTakt“ zuerst da?
Antonia Vitz: So komisch es klingt: Beides! Die zwölf Songs auf dem Album „Black Bird“ spiegeln die zwölf Kapitel des Buches wider. Sobald ein Kapitel inhaltlich fertig war, hat Gumo angefangen, den entsprechenden Song zu komponieren. Für mich als Autorin war es völliges Neuland, dass ich beim Schreiben nicht nur meine Termine, sondern auch die des Songwriters, der vier Sänger und des Produzenten berücksichtigen musste. Es war phasenweise wirklich abenteuerlich, wie wir alles unter einen Hut bekommen haben. Sehr, sehr intensive, aber auch aufregende eineinhalb Jahre.
Daniel Gumo Reiss: Wir haben tatsächlich parallel an beiden Kunstwerken gearbeitet. Mal hatte ich einen kleinen Vorsprung, mal Antonia. Es fühlte sich teilweise wie ein intensiver Wettlauf an, bei dem jeder so schnell rennt wie er kann und alles reinhaut was er hat, bei dem aber gleichzeitig das Ziel ist, am Ende quasi Hand in Hand über die Ziellinie zu laufen. Eine sehr intensive künstlerische Erfahrung, die irgendwie auch perfekt zu Jacks Getriebenheit aus dem Buch passt und mein Leben definitiv sehr bereichert hat. Ich werde diese Zeit nie vergessen!
Es gab einige wilde Momente, wo es dann zum Beispiel hieß: „Was ist jetzt mit Kapitel acht? Der Oliver Hartmann fliegt demnächst nach Skandinavien und muss vorher noch den entsprechenden Song einsingen!“. Oft arbeiten Autorinnen und auch Songwriter zunächst alleine, aber jetzt hatten wir statt zwei Terminkalender plötzlich sechs, die aufeinander abgestimmt werden mussten und das war noch nicht alles an Hürden. Da wir inmitten der Pandemie produziert haben, war es nicht möglich gemeinsam mit allen Musikern im selben Raum zu musizieren. Das waren schon verrückte Zeiten! Wir reden in unserer Lesung ausführlicher darüber, wie das überhaupt möglich war, ein derart aufwendiges Album aus dem Home Office heraus zu erschaffen, und welche Parallelen es dabei zu Jack Blackbirds Albumproduktion aus dem Roman gibt.

„Das Musikbusiness präsentiert sich nach Außen mit viel Glanz, Spaß und Ruhm.“

Antonia Vitz

Wie viel eigenes Erlebtes steckt im Roman?
Antonia Vitz: Die Ideen zu meinen Büchern entspringen immer aus Themen, die mich persönlich bewegen und die ich an das Licht der Öffentlichkeit zerren möchte. So auch bei „DrahtseilTakt“. Das Musikbusiness präsentiert sich nach Außen mit viel Glanz, Spaß und Ruhm. Die Mechanismen, die dahinter ablaufen, kennt kaum jemand. Ein Musiker, der sich mit vollem Herzen der Musik verschrieben hat, muss sich in der Regel dem Business unterordnen, wenn er im hart umkämpften Musikzirkus erfolgreich sein möchte. Auf diesen inneren Kampf zwischen „Leidenschaft“ und „Musik als Ware“ wollte ich aufmerksam machen. Die Fakten, die man im Buch über das Musikbusiness findet, sind nicht erfunden. Im Nachwort gehe ich auch darauf ein, weshalb die Geschichte genau so in echt hätte passieren können – und welche Parallelen es zwischen Jack und Daniel Gumo Reiss gibt.
Daniel Gumo Reiss: Ich sehe bei den Büchern von Antonia Vitz regelmäßig die Rückmeldung, dass sich Menschen in den Charakteren oder auch in bestimmten Situationen wieder finden. Das ist eine ihrer großen Stärken. Ich würde schon sagen, dass ich mich als Musiker in einigen Szenen selbst sehe. Wirklich autobiografisch ist die Geschichte jedoch nicht. Bei meinen Albumproduktionen geht’s zwar auch mal sehr turbulent zu, aber Elternhäuser sind bislang zum Glück keine dabei abgebrannt. Ich habe bei unserer musischen Lesung zu „DrahtseilTakt“ schon einmal gesagt, dass ich froh bin kein Charakter aus einem Vitz-Roman zu sein. Die haben’s echt nicht leicht! 

Gibt‘s reale Vorlagen für die Protagonisten im Buch?
Antonia Vitz:
Wenn ich einen Charakter erschaffe, fließen natürlich immer Anteile von Menschen ein, die ich persönlich kenne, erlebt oder beobachtet habe. Das lässt sich beim Schreiben gar nicht vermeiden. Eine exakte Eins-zu-eins-Umsetzung gibt es jedoch nicht, auch wenn das im Falle von Jack Blackbird einige vermuten. Trotzdem erkennen sich viele Leser in meinen Büchern wieder. Das ist, glaube ich, meine große Stärke – dass ich das Leben so beschreibe, wie es wirklich ist. 

„DrahtseilTakt“ von Antonia Vitz ist im pinguletta Verlag erschienen. Auf dem Album „Black Bird“ von Daniel Gumo Reiss gibt es zwölf Songs zum Buch.

Wie kam es zu eurer Zusammenarbeit? 
Daniel Gumo Reiss: Es begann zunächst mit einem einfachen Gedanken. So nach dem Motto „Du kannst doch Songs schreiben? Willst Du nicht mal einen für mein Buch komponieren?“ Das hat dann so gut funktioniert, dass die Idee immer weitergewachsen ist: Warum nicht ein ganzes Album, bei dem jeder Song die jeweilige Stimmung des Kapitels einfängt und in 3 bis 4 Minuten wieder gibt? Was wenn jeder Hauptcharakter einen eigenen Sänger bekommt? Wie wäre es mit Michael Bormann mit seiner kratzigen Stimme als Mike Wagner oder Oliver Hartmann mit seiner warmen Gesangstimme als tiefgründigen Jack Blackbird? Könnte man daraus nicht auch eine tolle Lesung mit Livesongs aus dem Album bauen? Das Feuer war entfacht und wir kamen an den Punkt, wo wir gesagt haben wir stellen die Idee jetzt Silke Boger vom pinguletta Verlag vor. Sie fand sofort Gefallen daran und hat sich erfreulicherweise entschieden, das Projekt mit uns umzusetzen. 

Wer sollte das Album unbedingt hören?
Daniel Gumo Reiss: Bestimmt findet sich jeder in dem ein oder anderem Songtext wieder, die wir im Buch übrigens auch ins Deutsche übersetzt haben. Wer auf toll gesungene Unplugged und Rock Musik steht sollte dringend ein Ohr riskieren! Ich empfehle dringend die Songs in Verbindung mit der Geschichte, auf der sie basieren, zu hören. Man hört den Charakteren aus dem Buch zu, wie sie ihr Innenleben in ihrer großen Leidenschaft der Musik verarbeiten. Das ist schon eine einzigartige Erfahrung!

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