Sagen Sie mal, Ellen Klinkel: Was ist spannender – A61 oder Route 66?

Ganz klar die Route 66 quer durch Amerika! Meine „Kicks“ bekomme ich auf Autobahn 61 sicherlich nicht – auch wenn sie quasi direkt hier bei uns vor der Haustür entlangführt. Während ich die A61 mit möglichst schnellem Von-A-nach-B-Kommen, Baustellen und Stau verbinde, kommt mir bei der 66 genau das Gegenteil in den Sinn. Bei einem Road-Trip auf der „Mutter aller Straßen“ ist der Weg das Ziel. Es geht entschleunigt quer durch acht US-Bundesstaaten und unterschiedlichste Landschaften, vorbei an unzähligen „Roadside Attractions“. Auf jeder Reise sind Veränderungen zu sehen. Und vor allem gibt es interessante Menschen und ihre Geschichten zu entdecken. Genau das ist ja auch die Idee für unser Buch „Route 66 – Westwärts auf Amerikas legendärem Highway“, erschienen in der Edition Bildperlen, gewesen. 2013 waren wir im Südwesten der USA unterwegs, als aufgrund des Government-Shutdowns alle Nationalparks plötzlich geschlossen wurden. Unsere Reiseplanung wurde komplett auf den Kopf gestellt. Schnell war klar: Die Route 66 wird unsere Alternative. Schon auf dieser Tour haben wir Feuer gefangen für den legendären Highway. Die erste, damals noch sehr vage Idee für einen Bildband folgte kurze Zeit später. Durch die Route 66 ist meine Leidenschaft für die Fotografie erst richtig entstanden. Damals haben mich vor allem die Weite, alte Neonschilder, Geisterstädte und 1950er-Jahre-Motels und -Diner interessiert. Mit jeder weiteren Reise haben wir Menschen, die entlang der Route 66 leben und arbeiten, kennengelernt. Inzwischen empfinden wir die Route-66-Community als eine Art zweite Familie und es sind wunderbare Freundschaften entstanden.

Durch die Route 66 ist meine Leidenschaft für die Fotografie erst richtig entstanden.

Ellen Klinkel

Die Fotos im Buch stammen von mir, die Texte von unserem amerikanischen Freund und Route-66-Kenner Nick Gerlich und meinem Mann Udo, der auch die Texte von Nick ins Deutsche übersetzt hat. Für das Buch haben wir 27 „People of Route 66“ porträtiert und interviewt. Viele andere haben uns ebenfalls unterstützt, etwa mit Informationen, Kontakten oder auch dabei, Zugang zu besonderen und schwer zugänglichen Orten zu erhalten. Ich kann es also so sagen: Viele, die uns auf einem 66-Road-Trip begegnet sind, haben das Buch ein Stückchen mit geformt.  Nick haben wir 2015 zum ersten Mal persönlich getroffen. Der Kontakt kam über Facebook. Seitdem reisen wir oft gemeinsam mit ihm. 2019 ist unser erster Bildband „A Matter of Time: Route 66 Through the Lens of Change“ bei der University of Oklahoma Press in Amerika erschienen. Parallel dazu haben wir an dem deutschen Buch weitergearbeitet und auf einer viereinhalbwöchigen Reise das restliche Bild- und Textmaterial gesammelt.  Insgesamt war es ein Prozess über mehrere Jahre.

  • »Billboards«, wie hier in Tulsa, gehören überall in Amerika zum Straßenbild. Foto: Ellen Klinkel
  • Stewart’s Petrified Wood Shop darf man getrost als ein Relikt aus seligen Route-66-Zeiten bezeichnen, genau wie diesen davor aufgebauten und kaum zu übertreffenden Dinosaurier-Kitsch. Damals waren derartige Figuren wohl sehr beliebt. Foto: Ellen Klinkel
  • Ein altes »Alignment« der Route 66 führt über die Brücke am Gasconade River in Missouri. Sie ist heute nicht mehr befahrbar und dämmert einem ungewissen Schicksal entgegen. Eine engagierte Bürgerinitiative versucht, das Bauwerk vor dem Abriss zu bewahren. Foto: Ellen Klinkel
  • Es gehört nicht viel Fantasie dazu, sich am Old Joliet Prison die Eingangsszene aus »Blues Brothers« vorzustellen. Foto: Ellen Klinkel
  • Herbstliche Route-66-Idylle in Odell: Betagte Autos und rostige Zapfsäulen. Foto: Ellen Klinkel
  • Missouris grüne Hügel – und die Route 66 führt mittendurch. Foto: Ellen Klinkel
  • »Welcome to the Blue Swallow« – Neon überall. Der passende Oldtimer darf nicht fehlen. In diesem Fall handelt es sich um einen Pontiac Chieftain aus den 1950er-Jahren. Foto: Ellen Klinkel

Seit 2013 sind wir ein Dutzend mal auf der Route 66 unterwegs gewesen. Wegen die Pandemie hat sich die Veröffentlichung um knapp zwei Jahre verschoben. Im Mai 2022 war es dann endlich soweit und das Buch ist erschienen. Das Buch ist gedacht für Fans der Route 66 und der USA und jeden, der eine schöne Ergänzung für die Fotobuchsammlung sucht. Wir haben auch schon ein paar Mal das Feedback erhalten, dass unser Buch als Inspiration gedient hat, tatsächlich eine Route-66-Reise zu unternehmen. Das freut uns natürlich besonders. Ziel ist es, zu zeigen, dass die Route 66 noch existiert, zu großen Teilen noch befahrbar und absolut abwechslungsreich und somit eine Reise wert ist. Und vor allem war es uns wichtig, im neuen Bildband auch Menschen der Route 66 vorzustellen. Die Begegnungen mit ihnen und ihre Geschichten – das macht den Road Trip auf der 66 zu etwas ganz Besonderem. Das Tolle an diesem Highway ist, dass es eine richtige Gemeinschaft gibt. Vor allem über die zahlreichen Social-Media-Gruppen gibt es ganz oft wertvolle Tipps für Anlaufstellen. Die Community geleitet einen quasi entlang der Route – sofern das gewünscht wird. Und jede Reise ist immer wieder anders. 

Ellen Klinkel lebt mit ihrem Mann auf der Grafschaft bei Ahrweiler. Aufgewachsen ist sie in den USA und im Kreis Ahrweiler. Seit 2013 fotografiere sie mit Begeisterung – dank der Begegnung mit der Route 66, die sie inspiriert hat. 2019 wurde in den USA ihr erster Bildband zum Thema „Route 66“ veröffentlicht. Ellen Klinkels Fotografien wurde schon ausgestellt, etwa im Kleinen Landcafé in Kerpen/Eifel, das die Veröffentlichung des aktuellen Bildbandes begleitet. Weitere Projekte sind in Planung. 

"Route 66: Westwärts auf Amerikas legendärem Highway" von Ellen Klinkel, Nick Gerlich, Udo Klinkel bei der Edition Bildperlen
„Route 66: Westwärts auf Amerikas legendärem Highway“ ist bei der Edition Bildperlen erschienen.